Die Weihrauchernte

Informationen aus meinem Buch “Weihrauch” von Georg Huber, Erscheinungsdatum 1.10.2018

Auch wenn die Erntetechniken sich manchmal etwas voneinander unterscheiden, so haben sie doch alle ein gemeinsames Ziel: An das wertvolle Weihrauchharz zu gelangen. Dies kann dadurch geschehen, dass etwas tiefere Einschnitte am Baum vorgenommen werden, aus der das das Harz aus dem Schnitt herausfließt oder auch mit einer für den Baum „gesünderen“ oder sagen wir weniger verletzenden Variante, in dem einfach die Rinde des Baumes zentimeterwiese abgeschabt und entfernt wird. In frühereren Zeiten und auch teilweise noch heute wird dafür ein Schabemesser namens Minqaf (Somalia) und Manqaf (Oman) genutzt, das eher wie eine Spachtel vom Baumarkt aussieht, als ein wirkliches Messer.

Doch mit diesem Schabemesser lässt sich die Rinde gut entfernen, ohne den Baum zu tief zu verletzen, was für den Baum sehr schlecht wäre, da es wesentlich länger als drei Jahre dauern würde, bis die Rinde wieder nachgewachsen ist. Wenn die Rinde des Baumes für die Ernte entfernt wird, liegt jene Schicht des Baumes frei, in der auch die feinen Kapillaren liegen, die das wohlriechende Harz produziert. Ein bisschen vergleichbar mit unserer Wundflüssigkeit bildet der Baum ein Wundsekret, genauer gesagt ein Exsudat, das den eigentlichen Zweck hat die oberflächliche Wunde am Baum zu schließen.

Das Entfernen der Rinde und somit das Verletzen des Baumes erfolgt nicht nur an einer Stelle am Baum (siehe unter Videos) , sondern an mehreren Stellen, an wievielen Stellen ist allerdings von mehreren Faktoren abhängig. Am Beispiel des Boswellia Sacra Baumes aus dem Oman ist die Anzahl der „cuts“ (Schnittstellen) abhängig von der Größe des Baumes, dem Umfang des Stammes und der Äste, sowie der Anzahl der Blätter des Baumes.

Nach dem Entfernen der Rinde bildet sich dann eine milchig-trübe Flüssigkeit, die aus dem Baum herausfließt. Dieses erste Harz gilt als unrein und ist von minderwertiger Qualität. Im Normalfall wird das Exsudat des ersten und zweiten Schrittes entsorgt, allerdings gilt das nicht für alle Ernter und Sorten. Nach ungefähr 10-20 Tagen, je nach Baum, Standort und Jahreszeit, wird dann dieses erste Harz abgeschabt, da es ausgehärtet genug ist, damit man das Harz ernten kann. Dieser Zyklus von Abschaben, erneut verletzen und ernten wiederholt sich dann bis zu zehn Mal und mehr.

Wie oft und wie lange ein Baum geerntet wird, ob zweimal im Jahr und mit nur 5 Schnittsequenzen oder das ganze Jahr über, ist sehr verschieden und wird von vielen verschiedenen Faktoren bestimmt. 

Am Beispiel des Boswellia Sacra Baumes aus dem Oman ist die Anzahl der „cuts“ (Schnittstellen) abhängig von der Größe des Baumes, dem Umfang des Stammes und der Äste, sowie der Anzahl der Blätter des Baumes. So werden bei einem kleinen Weihrauchbaum von 1-3 Meter, bei einem Umfang unter 30cm und keinen Blättern nur 1 bis 3 Schnittstellen genutzt, während bei einem Baum über 3 Meter, einem Durchmesser über 80cm, sowie gesundem Baum mit zahlreichen Blättern bis zu 18 Schnittstellen zur Ernte des Weihrauchs genutzt werden. Hier möchte ich Mohsen Al Ameri danken, der mir die genaue Anzahl der Schnittstellen bei der Ernte im Oman erklärt hat! Ich selbst wusste nicht genau, wie oft der Boswellia Sacra angeschnitten wird.

Aber zurück zur Ernte: Dieser Erntezyklus betrifft natürlich nicht nur einen Baum, sondern hunderte Bäume, denn ja nach Alter, Ernteort, Sorte und anderen Faktoren gibt ein Baum „nur“ zwischen 2-8kg Weihrauch ab. Es sind oft hunderte Bäume, die gemeinsam manchmal auf nur einem Hektar Land stehen und gleichzeitig geerntet werden. Oft werden die Grundstücke mit dem Weihrauch verpachtet und es kommen zur Erntezeit hunderte bis tausende Erntehelfer, oft „Billigarbeiter“ aus dem Ausland, die dann für ein bisschen Geld, Essen und Kleidung diesen harten Job der Ernte übernehmen. Da der Preis für Weihrauch im letzten Jahrhundert rapide gefallen ist und sich jetzt erst langsam der Preis wieder erhöht, hat es für viele Erntefamilien einfach keinen Sinn mehr gemacht diesesn heiligen Beruf der Weihrauchernte fortzuführen. Deswegen haben oft die Billigarbeiter diese Arbeit übernommen. Es steht außer Frage, dass dies nicht optimal ist, denn diese unerfahrenen Ernter wissen buchstäblich nicht was sie tun. Doch auf die Gefahren für den Baum bei der Ernte werde ich ausführlicher im letzten Kapitel dieses Buches „Weihrauch- ein aussterbender Baum“ aufmerksam machen.

 

Weihrauch ernte angeschnitten frischer Weihrauch

Wenn du einmal Weihrauch in der Hand hältst, der nicht aus Tränen oder Gries besteht, sondern aussieht, wie eine geschmolzene Masse, dann liegt das an der falschen Ernte. In manchen Ländern dieser Welt, wie zum Beispiel auch in Burkina Faso, gibt es keine gut organsierte Ernte. Eine gut organisierte Ernte mit mehreren Ernten, Körben und genug Möglichkeiten der schattigen Trocknung des Weihrauchs sorgt dafür, dass der Weihrauch trotz großer Hitze auch als Weihrauch gut erkennbar ist. Doch dies ist nicht überall der Fall und bei manchen Harzsorten, wie bei vielen Canarium-Bäumen, sogar fast unmöglich. Während der Trocknung des geernteten Weihrauchs sollte er nicht mehr lange mit der Sonne in Kontakt bleiben, da sonst die Harzstücke einfach aneinander kleben.

Nach der Ernte wird der Weihrauch, meist unsortiert, in Körben und anderen Auffangbehältern an einen trockenen, schattigen Platz gebracht, wenn möglich in Höhlen oder unter Bäumen, die genug Schatten bieten. Dort wird das Harz solange gelagert, bis es ausgehärtet ist. Dies kann schon einige Wochen dauern und ist natürlich auch von der Jahreszeit und dem Wetter abhängig. Anschließend kommt der Weihrauch zu den Sortierstellen der Händler. Der Weihrauch wird auf einen großen Haufen geschüttet und die Sortierer, oft Frauen, machen sich an die Arbeit, den Weihrauch in verschiedene Qualitäten zu sortieren.

 

Übriens habe ich von keinem meiner Weihrauchkontakte jemals gehört, dass das Harz eines 10. Einschnittes irgendwie besser wäre als ein 20. Einschnitt, auch wenn diese Meinung weit verbreitet ist. Die Qualität des Weihrauchs wird eher von der Ernteregion, dem Baum selbst und dem Zeitpunktes bestimmt.